Sabrina liebt das Schreiben, vor allem über Themen, die bislang…
In einigen Foren oder sogar in Pornos wird Stealthing als Sextrend regelrecht gehypt. Tatsächlich aber ist es eine Form des sexuellen Missbrauchs, die in vielen Ländern bestraft wird.
In diesem Artikel klären wir darüber auf, um was es sich bei dem Begriff „Stealthing” genau handelt, welche Folgen hieraus entstehen und was Betroffene tun können, wenn sie Opfer von Stealthing geworden sind.
Was ist Stealthing?
Stealthing bedeutet, dass ein Mann während des Geschlechtsverkehrs heimlich das Kondom abzieht, nichts davon sagt und dann ungeschützt weiter Sex hat. Seine Sexualpartner*innen bemerken dies vielleicht bei seinem erneuten Eindringen, meistens aber erst, wenn es zur Ejakulation gekommen ist oder wenn sie nach dem Akt den „nackten“ Penis sehen.
Der Begriff Stealthing leitet sich von dem englischen Wort stealth ab, das List oder Heimlichkeit bedeutet. Bekannt gemacht wurde der Ausdruck von der US-amerikanischen Juristin Alexandra Brodsky, die 2017 eine Studie zu dem Thema veröffentlichte.
Stealthing war zu jener Zeit bereits ein richtiger Trend unter College-Studenten, die sich dann auch noch in Foren und Blogs brüsteten, heimlich das Kondom abgezogen zu haben und sogar Stealthing Anleitungen gaben. Ihre Sexpartner*innen dagegen fühlten sich missbraucht, beschmutzt und beschämt. Die meisten wollten daher ihre Stealthing Erfahrung auch nur anonym teilen.
Auch im deutschsprachigen Raum gibt es solchen Foren, in denen Männer tatsächlich Stealthing Tipps und Tricks teilen. Auch sogenannten Stealthing Porn gibt es, in denen Stealthing Sex regelrecht glorifiziert wird. Alleine einen Begriff wie stealth in Verbindung mit Sex zu bringen, zeigt schon, dass solch eine Tat moralisch zu hinterfragen ist. List, Tücke, Heimlichtuerei – das sollte nie etwas mit Sex zu tun haben.
Um es ganz klar zu sagen: Was für einige Männer ein „Sextrend“ ist, den sie verharmlosen, ist in Wirklichkeit eine Form des Missbrauchs – nicht nur des Vertrauens, sondern auch des Körpers und der Seele! Stealthing geschieht ohne das Wissen und Einverständnis des Sexpartners oder der Sexpartnerin. Ihnen wird so der freie Wille und das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung genommen.
Was motiviert Männer zum Stealthing?
Was aber motiviert Männer zu dieser Tat? Die Gründe sind unterschiedlichster Natur. Ausreden, warum ein Mann kein Kondom benutzen will, gibt es viele. Dem einen ist das Kondom nicht gefühlsecht genug, dem anderen passt es nicht, wiederum einem anderen ist es zu lästig und so weiter. Vielen Männern gibt es einen Kick, weil sie etwas Verbotenes tun. Einige stehen darauf, im Körper der Frau oder des Mannes ungeschützt zu kommen.
Die Aussagen der Männer in den Stealthing Foren zeigen jedoch, dass hauptsächlich Frauenfeindlichkeit im Spiel ist, wenn sie das Kondom heimlich abziehen. Es geht ihnen bei diesem Vergehen oft auch um Machtausübung. Bei vielen Sexualstraftaten dreht es sich nämlich genau darum: Um Macht, Unterwerfung und Gewalt. Die Täter übernehmen die Kontrolle. Sie genießen die Macht, die sie so über einen anderen Menschen gewinnen und handeln nur nach ihrem eigenen Willen – egal, wie sich die Sexpartner*innen dabei fühlen oder welche Folgen es haben kann.
Folgen von Stealthing
Die Folgen von Stealthing sind zum einen körperlicher und gesundheitlicher Natur. So zum Beispiel:
- Ungewollte Schwangerschaft
- HIV-Infektion
- Ansteckung einer sexuell übertragbaren Krankheit
Von all dem können sowohl Opfer als auch Täter betroffen sein. Obwohl der Täter dies offensichtlich wohl wissend in Kauf nimmt. Er ist sich der Folgen in der Regel voll bewusst. Das Opfer aber hat keine Wahl.
Zudem leiden die meisten Opfer von Stealthing lange unter psychischen Beschwerden. Bis geklärt ist, ob möglicherweise eine Erkrankung vorliegt, zerfrisst die Angst davor die Seele der Betroffenen. Es ist zermürbend auf derartige Testresultate zu warten. Auch die Pille danach, die Frauen nach einem derartigen Vergehen nehmen sollten, ist kein Bonbon, das man einfach so ohne Nebenwirkungen und zum Vergnügen einnehmen kann.
Am meisten nagt an den Opfern aber wohl das Gefühl, benutzt, entwürdigt und missbraucht worden zu sein. Viele schämen sich und fragen sich, ob sie etwa auch schuldig sind. Dieses Gefühl wird noch von den Männern bestärkt, die nach ihrer Tat vorgeben verwirrt zu sein und beispielsweise sagen: „Das musst du doch gemerkt haben.“ Nein, keiner muss es gemerkt haben, wenn das Kondom plötzlich weg gemacht wurde.
Im Eifer des Gefechts sind die meisten so abgelenkt, dass sie darauf nicht achten. Dann kam es vielleicht noch zu einem Stellungswechsel oder Sex von hinten, und schon ist das Gummi unbemerkt ab.
Frauen und Männer, die Opfer von Stealthing wurden, tragen keinerlei Schuld an dem, was geschehen ist. Die Verantwortung liegt allein beim Täter und er muss dafür eventuell auch rechtliche Folgen in Kauf nehmen. Dass er nämlich kein Kavaliersdelikt begangen hat, machen mittlerweile Gerichtsverhandlungen und Stealthing Urteile weltweit deutlich.
Ist Stealthing strafbar?
Bezugnehmend auf Stealthing betont der Sexualstrafrechtler Joachim Renzikoswki: „Es handelt sich hier ganz klar um einen sexuellen Übergriff und nach §177 Absatz 6 Nr. 1 aus juristischer Sicht auch um Vergewaltigung.“ Wird während des Geschlechtsverkehrs das Kondom heimlich abgezogen, handele sich seiner Meinung nach ganz deutlich um einen sexuellen Übergriff. Denn es wird eine Tat gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person begangen.
Dieser Meinung war auch das Oberlandesgericht Schleswig-Holstein in einem Urteil vom März 2021. Auch wenn der Sex einvernehmlich geschah, wurde dieses Einvernehmen durch das heimliche Abstreifen des Kondoms gebrochen. Durch seine List entscheidet der Täter nämlich über den Willen der geschädigten Person und macht sich damit strafbar.
Stealthing ist damit nicht nur eine respektlose, miese Masche, sondern auch eine Straftat. Im Jahr 2018 wurde von einem Berliner Gericht dementsprechend ein Täter auch zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe sowie einer Geldstrafe verdonnert. In der Schweiz wurde ein Mann, der Stealthing praktiziert hatte, sogar wegen Vergewaltigung verurteilt.
Als erster Staat in den USA hat Kalifornien im Oktober 2021 ein Gesetz verabschiedet, dass das bewusste Abstreifen des Kondoms während des Geschlechtsverkehrs und ohne das Einverständnis des Partners oder der Partnerin zu einem Sexualverbrechen erklärt.
Leider steht vor Gericht oft Aussage gegen Aussage, was eine Urteilsfindung erschwert. Davon sollten sich Frauen oder Männer, die Opfer von Stealthing wurden, jedoch nicht abhalten lassen und den Täter trotzdem anzeigen.
Was können Opfer tun?
Die Hemmschwelle nach einer solchen Tat ist für viele groß. Trotzdem sollten sich Betroffene überwinden und den Gang zur Polizei wagen und eine Anzeige machen. Nur so kann der Täter letztlich gestoppt werden – wer weiß, bei wie vielen Sexualpartner*innen er sonst noch heimlich das Kondom abzieht. Stealthing ist nicht nur unmoralisch, sondern illegal, das muss den Tätern bewusst werden.
Ebenfalls unerlässlich ist eine unmittelbare ärztliche Untersuchung. Der Verdacht auf sexuell übertragbare Krankheiten muss geklärt werden und gegebenenfalls die Pille danach verschrieben werden. Zudem kann ein Medikament zur HIV-Prophylaxe verschrieben werden.
Opfer fühlen sich vielfach ausgenutzt und verraten, werden von Ängsten oder Depressionen geplagt. Um mit diesen Gefühlen zurecht zu kommen und das Trauma zu verarbeiten, kann der Besuch bei einem Psychologen oder einer Psychologin helfen. Weitere Unterstützung können auch Freund*innen und Familie bieten – niemand sollte sich schämen, um Hilfe zu bitten, wenn sie gebraucht wird.
Wie kann man sich vor Stealthing schützen?
Leider gibt es keinen wirklichen Schutz vor Stealthing. Aber gerade bei Sexpartnern, die man nicht kennt und von denen man nicht weiß, ob man ihnen vertrauen kann, sollte unbedingt vor der Penetration nachgeschaut werden, ob das Kondom übergestreift ist und richtig sitzt. Wenn nicht, sollte der Sex sofort abgebrochen werden. Um vorzubeugen, kann man das Kondom dem Partner selbst aufziehen und unmittelbar vor dem Eindringen nochmals nachfühlen.
Auch wenn die Stellung gewechselt wird, sollte noch einmal geschaut oder auch gefühlt werden, ob das Kondom noch da ist, wo es sein soll. Frei nach dem Motto: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Frauen können als Alternative auch ein Frauenkondom verwenden. Das kann sicherlich nicht unbemerkt entfernt werden.
Sabrina liebt das Schreiben, vor allem über Themen, die bislang noch nicht die nötige Aufmerksamkeit bekommen haben. Sie arbeitet seit Jahren als freie Texterin und Autorin. Ihre Lieblingsthemen sind Beziehungen, Sex, Philosophie und Reisen. Außerdem liebt sie Kaffee, das Meer, sich kreativ ausleben zu können, ihre Gitarre und Fußball.